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Spielregeln definieren


Weitgehend Einigkeit besteht heutzutage darüber, dass Smart Cities und Smart Regions, also die Transformation von Städten, Gemeinden und Kreisen hin zu intelligent vernetzten Städten und Regionen, eine entscheidende Zukunftsfrage für Lebens- und Standortqualität sind. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, gelingt es bisher allerdings kaum, umfassende Smart-City-Vorhaben in den Kommunen umzusetzen. Viele gute Ideen existieren bislang nur als Insellösungen, hinken der technologischen Entwicklung hinterher oder sind nicht skalierbar. 

Gleichzeitig werden von Bund und Ländern immer wieder Modellprojekte in unterschiedlich großem Umfang ins Leben gerufen, die dabei helfen sollen, den notwendigen Umbauprozess in die Fläche zubringen und ein gut nutzbares, auf die individuellen Bedürfnisse der Kommunen anpassbares Portfolio an digitalen Lösungen verfügbar zu machen. Bislang waren diese Vorhaben allesamt nicht erfolgreich. Gerade mit Blick auf die sehr hohe Geschwindigkeit, mit der technologische Lösungen am Markt entwickelt werden, wird deutlich, dass solche Konzepte zum Scheitern verurteilt sind, wenn es nicht gelingt, ein neues Verständnis der Rolle des öffentlichen Sektors zu entwickeln. Wenn Deutschland bei der Entwicklung von Smart Cities und Smart Regions erfolgreich sein will, muss es gelingen, eine vollkommen andere Kultur der Zusammenarbeit mit Start-ups und Unternehmen bis hin zu den Hyperscalern zu etablieren. 

Wesentlicher Kern von Smart Cities ist die datenbasierte horizontale Vernetzung bislang getrennter Bereiche (Silos) innerhalb einer Kommune, also beispielsweise des Verkehrsbereichs mit dem Gesundheitssektor. Gleichzeitig sollte es mit Blick auf die verschiedenen Herausforderungen, wie etwa den demografischen Wandel, auch um die datenbasierte Vernetzung der Kommunen untereinander gehen. Vor allem Smart Regions verfolgen das Ziel, die interkommunale Zusammenarbeit zu stärken und zu vereinfachen sowie eine gemeinsame arbeitsteilige Aufgabenerbringung (Shared Services) zu ermöglichen. 

Bei großen Transformationsprojekten ist es bislang an der Tagesordnung, umfassende integrierte Konzepte oder Masterpläne zu erstellen. Darin wird festgelegt, wie sich die Entwicklung vor Ort vollziehen soll und welche konkreten Vorhaben in welcher Reihenfolge durchgeführt werden sollen. Ein derartiges Vorgehen ist aus anderen Bereichen, etwa bei Integrierten Stadtentwicklungskonzepten oder Klimaschutz-Masterplänen hinlänglich bekannt und dort durchaus erfolgreich.

Für die Entwicklung von Smart Cities und Smart Regions ist eine Adaption dieser erlernten Vorgehensweise aber nicht hilfreich, sondern sogar kontraproduktiv. Digitale Lösungen müssen von den Kommunen abhängig von ihrer jeweiligen Ausgangslage zur Bewältigung der drängendsten Aufgaben eingesetzt werden können, ohne dass viel Zeit für die Erstellung eines umfassenden Gesamtkonzepts verstreicht. 

Um beim digitalen Umbau schnell und flexibel handeln zu können, muss digitale Technologie konsequent als Werkzeug zur Erreichung der bereits an anderer Stelle formulierten strategischen Ziele, etwa im Bereich Klimaschutz, verstanden werden. Digitalisierung ist kein Selbstzweck und erfordert nicht zwingend, dass bestehende analoge Konzeptionen über Bord geworfen werden müssen. Insofern kann es auch sinnvoll sein, zunächst mit digitalen Einzellösungen zu starten, die später mit anderen Lösungen vernetzt und zusammengefügt werden können. Gleichzeitig brauchen die Kommunen die Sicherheit, dass die von ihnen beschafften digitalen Werkzeuge skalierbar und kombinierbar sind sowie gewissen Mindestanforderungen genügen. Diese fachliche Einschätzung können allerdings gerade kleinere Kommunen häufig nur schwer selbst vornehmen, da vielfach das entsprechende Personal und Wissen in den Verwaltungen fehlt.  

Ein entscheidender Erfolgsfaktor für das Gelingen von Smart Cities und Smart Regions ist daher, dass an zentraler Stelle, etwa gefördert durch den Bund, ein Marktplatz für digitale Lösungen etabliert wird, um den Städten und Gemeinden deren Auswahl und Beschaffung so einfach wie möglich zu machen. Zugang zu diesem Marktplatz sollten Lösungen nur dann erhalten, wenn sie einen Katalog von noch zu definierenden Basisanforderungen (beispielsweise Datenschutz, Datensicherheit oder offene Schnittstellen) erfüllen. Diese Basisanforderungen müssten von einem unabhängigen Fachgremium in regelmäßigen Abständen definiert und überprüft werden. Ein solches Konzept ermöglicht es den Kommunen, schnell, einfach und sicher aus den auf dem Marktplatz vorhandenen Angeboten auszuwählen, kann helfen, so genannte Lock-in-Effekte zu vermeiden, und sicherstellen, dass die beschafften Lösungen untereinander kompatibel sind.

Gleichzeitig ist es wichtig, dass Kommunen ein niedrigschwelliges Beratungsangebot von Bund und Ländern zur Verfügung steht, um ihre ersten Schritte hin zu Smart Cities zu unterstützen. Dazu sollten ein deutlich verbesserter Wissens und Erfahrungsaustausch, eine direkte und persönliche Beratung und Bestandsaufnahme der Situation vor Ort oder gezielte Aus- und Weiterbildungsangebote gehören. Zudem werden Unterstützungs und Beratungsangebote für die Ausschreibung und Vergabe benötigt. Denn vielfach stellt die Beschaffung komplexer digitaler Lösungen die kommunalen Beschaffungsstellen vor große Probleme. Um bei der Entwicklung von Smart Cities und Smart Regions erfolgreich zu sein und den Rückstand gegenüber anderen Staaten aufzuholen, brauchen wir in Deutschland eine enge Zusammenarbeit mit privaten Anbietern.

Digitale Lösungen lassen sich kaum aus dem öffentlichen Sektor heraus entwickeln. Derzeit herrscht aber vielfach noch der Glaube, der öffentliche Sektor könne souverän und ohne den Markt spezielle Angebote entwickeln und dann auch anbieten und betreiben. Das wird nicht funktionieren, da es kaum möglich ist, mit der Entwicklungs und Innovationsgeschwindigkeit der weltweit agierenden Digitalkonzerne mitzuhalten. Wenn es nicht gelingt, auf Marktlösungen zu setzen, wird der öffentliche Sektor bei der Digitalisierung immer weiter zurückfallen.

Das bedeutet allerdings nicht, dass es keine Regeln und Regulierungen geben soll. Der Staat muss im Gegenteil viel mehr als bisher klare Vorgaben machen, welche Rahmenbedingungen erfüllt sein müssen, damit Marktlösungen eingesetzt werden können. Das würde es auch den Unternehmen erleichtern, sich den Spielregeln anzupassen und ihre Angebote entsprechend zu gestalten. Voraussetzung ist allerdings, dass die Politik auf allen Ebenen den Weg aus der Sackgasse findet und erkennt, dass beim Thema Smart Cities sowie bei der Digitalisierung insgesamt der Staat nicht die Aufgabe eines Umsetzers, sondern die des Rahmensetzers bekleiden muss. Wie auf vielen anderen Politikfeldern ist es seine Aufgabe, für den Markt das Spielfeld und die Regeln zu definieren.


Ein Artikel von Alexander Handschuh erschienen in der Märzausgabe 03/2024 von Kommune21 und zu finden online https://www.kommune21.de/meldung_43289_Spielregeln+definieren.html